Statement 18.Februar 2022

Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom

Statement der katholischen Jugend Dillingen im Februar 2022

Am 27. Januar diesen Jahres feierten wir das 77. Jubiläum der Befreiung des Konzentrations - und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, jenem Ort, der als Synonym für all die Gräueltaten steht, die die Nationalsozialisten all denjenigen Menschen antaten, die ideologisch aus dem ein oder dem anderen Grund nicht zu ihrer Gruppe gehörten. Die Sinti und Roma, die Schwarzen, die Kommunisten, die Homosexuellen, und natürlich allen voran die Juden. Im Namen ihrer Rassentrennung errichteten die Nazis eine selbstbewusste Mehrheit die sich, ideologisch geschult, als bemächtigt, als stark und als wertvoll betrachtete. Allerdings bestand diese Mehrheit nicht homogen aus Menschen, die es gut fanden und befürworteten, dass ihre Nachbarinnen und Nachbarn nur aufgrund ihres Glaubens verschleppt und wahrscheinlich ermordet werden würden. Die größte Menge Menschen in dieser Mehrheit waren nichts weiter als Mitläufer. Sie duckten sich weg, sie ignorierten schlicht das Fehlen ihres Krämers, Schneiders oder Schuhmachers, und hofften, dass sie nicht die nächsten sein würden. Und für die meisten von ihnen ging es auch auf. Sie überlebten die Naziherrschaft, legten sich Lügenmärchen zurecht, und machten weiter wie bisher. „Wir haben davon nichts gewusst.“ Die Soziologin Dr. Hildegard Schramm hat in einer Studie die überlebenden des Naziregimes zu ihrer Beteiligung an der Shoah befragt. Wenn alle Befragten, die ausgesagt haben, in dieser Zeit, Jüdinnen und Juden versteckt zu haben, die Wahrheit gesagt haben, hätte der Gesellschaftsanteil der Juden vor 1933 bei 72% liegen müssen.

 

In diesen Tagen hört man oft die Aussage, man solle die Zeitzeugen, die nicht im Konzentrationslager waren, nicht für Nichtstun verurteilen, man wisse ja nicht, ob man anders gehandelt hätte. Diese Aussage ist zwar nicht falsch, sie ist aber höchst privilegiert. Kein Jude und keine Jüdin hatten zu irgendeinem Zeitpunkt der Massenvernichtung die Möglichkeit, zu sagen „Wir machen nicht mit, wir sind nicht dabei“ so sehr sie es sich auch gewünscht hätten. Niemand möchte die Mitläufer dieser oder einer anderen Zeit gleichsetzen mit den aktiven Tätern, schuldig sind sie aber durchaus und das zu leugnen, sich, wie bei Schramm gesehen, sogar mit fremden Federn zu schmücken ist eine Schande.

 

Das Phänomen des Mitläufertums hat sich bis heute gehalten. Bis heute gibt es sowohl im Großen als auch im Kleinen Menschen, die sich bei Mobbing lieber wegducken, die bei Gruppenzwang nichts sagen, die sogar die Verharmlosung des Holocaust durch Teile der „Querdenkerszene“ einfach geschehen lassen. Die zwar nicht zur Traumabildung beitragen, dem Ganzen aber vor Allem nichts entgegensetzen. Die Menschen sind nicht schlecht, sie sind schwach! Und manchmal muss man sich einfach überlegen, ob man nicht umkehren sollte und sich an die Seite derer stellen sollte, die Hilfe brauchen, denn dann können wir uns Helden nennen, dann können wir uns Christen nennen. Mitläufer haben wir genug, was wir brauchen sind Kämpfer. Denn nur tote Fische schwimmen mit dem Strom!

 

 

Mit oder gegen den Strom schwimmen – wir haben jetzt schon schwerwiegende Ereignisse dazu gehört, aber wie betrifft uns das Thema im Einzelnen?

Uns ist das sicher allen mal passiert, dass wir einer Gruppe, einem Strom, gefolgt sind. Ob das nun gut war oder nicht.

 

Passend zum aktuellen Corona-Thema mag es vielleicht vorkommen, dass Geimpfte und Ungeimpfte unterschiedlich angesehen werden. Selbst geimpft, kann es passieren, dass man diejenigen ohne Impfung schnell verurteilt. Wir wollen nicht behaupten, dass die Impfung nicht wichtig sei, aber trotzdem sollten wir vielleicht nicht allzu schnell urteilen – ohne die Person und ihre Beweggründe, mögliche Ängste oder Sorgen zu kennen. Wenn wir zuerst genau hinhören, können wir möglicherweise sogar helfen, statt direkt abzuweisen.

 

Wenn wir uns an Modetrends orientieren, beginnen wir manchmal, Dinge zu mögen, die uns früher gar nicht gefallen haben. Natürlich ändern sich Meinungen und Geschmäcker, aber es ist dennoch interessant, dass ohne diese äußeren Einflüsse diese Veränderung an einem selbst nicht stattgefunden hätte.

Gerade, wenn man sich der Meinung eines anderen anschließt, weil man der Person vertraut, lässt man schnell andere oder seine eigene Sichtweise außer Acht.

Teil einer Gruppe oder einem Strom zu sein, kann natürlich auch positiv sein, weil man durch andere den Mut aufbringen kann, sich für etwas Gutes einzusetzen.

Deshalb ist es wichtig, sich zu trauen, kritisch zu sein. Zu überlegen, wo möchte ich Teil einer Mehrheit sein und wo stehe ich lieber für das Richtige ein, auch wenn ich alleine stehe. Das ist schwer und kostet Mut, aber der Mut, den wir zeigen, macht uns meistens nur stärker.

 

Wollen wir doch alle mal überlegen, wo wir eventuell Anhänger sind und ob uns das gefällt. In welcher Situation bin ich der Einschätzung anderer gefolgt und habe erst im Nachhinein gemerkt, was habe ich da eigentlich getan? Und wie kann ich mich beim nächsten Mal anders verhalten?

 

 

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