Ich bin heute in meinen Freistunden in die Kirche gegangen. Ursprünglich nur, um mir eine Zeitung mitzunehmen, aber weil ich nichts Besseres mit mir anzufangen wusste und es draußen regnete, blieb ich. Ich setzte mich in eine der Bänke und betete. Es war schön ruhig und ich hatte eine Menge, wofür ich beten konnte. Es war auf eine Weise besonders. Anders als die Gottesdienste, wo man normalerweise immer unter Menschen ist und wo die Gedanken vieler Menschen gleichzeitig still den Raum beschallen. Irgendwann ertönten die Klänge der Orgel, die meine Gedanken musikalisch untermalten.
Ab und zu kamen Menschen vorbei. Sie schauten sich die Krippe mit dem Jesuskind an, machten vielleicht noch eine Kniebeuge und dann gingen sie wieder. Ich fragte mich jedes Mal: „Wollt ihr euch nicht setzen? Die Stille genießen und an Gott, vielleicht eure Liebsten oder einfach über alltägliche Dinge nachdenken, wie zum Beispiel eure Weihnachtsgeschenkeliste?“ Schließlich war das das, was mich festgehalten hatte. Ich konnte nicht einfach herkommen und sofort wieder gehen. Aber nein, diese Menschen schauten sich die Krippe an und verließen die Kirche wieder. Und vielleicht ist genau das das Bewundernswerte. Vielleicht hatten sie wenig Zeit und konnten deshalb nicht länger bleiben. Aber dennoch kamen sie her, um die Krippe mit dem Jesuskind zu sehen. Genauso wie es die Hirten und die Drei Heiligen Könige damals getan haben. Es ist schön zu sehen, dass etwas auf den ersten Blick so Unscheinbares wie ein kleines Kind die Menschen aus ihrem Trubel und ihren Sorgen heraus anlockt, selbst, wenn es nur für kurz ist.
Wenn die Menschen dann an mir vorbei nach draußen gingen, warfen sie mir manchmal Blicke zu. Mag wohl nicht oft vorkommen, dass eine junge Person mit Schultasche in einer leeren Kirche sitzt und zu allem Überfluss dann auch noch zu schreiben anfängt. Aber doch, ich musste meine Beobachtungen festhalten und die Gedanken, die man sich sonst in der Kirche meistens nur für sich selbst macht, teilen. Und vielleicht treffe ich ja das nächste Mal, wenn ich hier bin, unbewusst einen Leser dieses Textes.
(Autorin: Hannah Lattwein)
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